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Interview zur Legionellenprüfung

„Eigentümer geraten vermehrt ins Visier des Gesundheitsamtes“ 

Überbordende Bürokratie, hilflose Immobilieneigentümer und fehlende Sachverständige – dies bemängelt Dr. Gero Beckmann, Bereichsleiter Mikrobiologie und Hygiene am Institut Romeis Bad Kissingen. Das akkreditierte Prüflabor führt regelmäßig Trinkwasseruntersuchungen auf Legionellen durch. Im Interview erläutert der Experte, warum die zweite Novelle der seit Juni 2023 geltenden Trinkwasserverordnung nichts Gutes für Eigentümer bedeutet.

Welche Änderung hat sich durch die Novelle der Trinkwasserverordnung ergeben? 

Vor der Novelle der Trinkwasserverordnung lag der Maßnahmenwert – also der Wert, ab dem entsprechende Maßnahmen gegen Legionellen eingeleitet werden müssen – bei 101 koloniebildenden Einheiten pro 100 Milliliter (KBE/ml). Jetzt wird die Grenze bei 100 KBE/100 ml gezogen. Diese auf den ersten Blick minimale Änderung macht jedoch einen enormen Unterschied: Unsere internen Auswertungen zeigen, dass nach der alten Regelung nur jede 25. Probe auffallend war, was 4,1 Prozent entsprach. Durch die Neubewertung ist nun jede 16. Probe auffällig, was 6,2 Prozent entspricht. Da ja stets drei Proben pro Prüfung an verschiedenen Stellen der Trinkwasseranlage genommen werden müssen, ist die Wahrscheinlichkeit noch höher, dass Eigentümer vermehrt ins Visier des Gesundheitsamtes geraten.

Was halten Sie von der Änderung? 

Die Novelle schießt im Punkt Legionellen komplett über das Ziel hinaus. Meine Kollegen und ich sehen keinen Nutzen darin, dass die Grenze neu gezogen wurde, denn die Sicherheitsvorkehrungen waren auch schon vorher hoch genug. Natürlich muss man gewisse Umstände berücksichtigen: Legionellenbefunde in Seniorenheimen oder Krankenhäusern mit pflegebedürftigen, chronisch Kranken oder immunsupprimierten Patienten sind anders zu bewerten als in der Normalbevölkerung. Aber ein Duschverbot wird ab 10.000 KBE/100 ml angeordnet. Also: Wenn eine echte Gesundheitsgefährdung vorliegt, ist das um den Faktor 100 höher als der Maßnahmewert.

Warum ist ausgerechnet das Duschen gefährlich? 

Zunächst einmal: Egal wo wir sind – wir sind von Keimen umgeben. Das gilt auch für Legionellen, und eine gewisse Anzahl im Trinkwasser ist normal. Steigt die Konzentration, können aber die Aerosole gefährlich werden, also der Flüssigkeitsnebel, der vor allem beim Duschen entsteht und dann eingeatmet wird. Eine Infektion durch das Trinken von mit Legionellen belastetem Wasser existiert praktisch nicht. Gelangen die Keime in die Lunge, können Betroffene am sogenannten Pontiac-Fieber erkranken. Dabei handelt es sich um einen normalen Infekt, der nach einigen Tagen wieder abklingt. Gefährlicher ist die sogenannte atypische Pneumonie, also eine Lungenentzündung, bei der antibiotische Behandlung häufig nicht anschlägt. Daher kann sie – vor allem für ältere und kranke Menschen – lebensgefährlich werden.

Welche Gebäude sind besonders gefährdet? 

Mit der Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude steigt auch das Legionellenrisiko. Auch Energiesparmaßnahmen, also wenn die Vorlauftemperatur bei der Warmwasserbereitung gedrosselt wird, sind leider für die Legionellenentwicklung förderlich. Ein weiterer Risikofaktor ist stehendes Wasser in Ferien- oder Zweitwohnungen, die nicht durchgängig bewohnt sind. Das gilt auch für Immobilien, die teilweise leer stehen. Zwar sind Ein- und Zweifamilienhäuser von der Prüfpflicht ausgenommen. Aber zum Beispiel Ruheständler und andere Personen, die viel reisen und bei denen das Haus oft leer steht, sind gut beraten, ihre Trinkwasseranlage auf Legionellen zu prüfen – insbesondere wenn es sich um empfindliche Personen handelt.


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Was geschieht bei einem Befund? 

Auch hier bringt die Novelle der Trinkwasserverordnung einen erhöhten Leidensdruck für Eigentümer, denn nun müssen sie unverzüglich Maßnahmen einleiten. Zuvor haben wir bei auffälligen Proben zunächst Kontakt aufgenommen, um zu schauen, ob es an Stillständen liegen könnte, an hydromechanisch schlecht ausgelegten Wasserleitungen oder an abgesenkten Vorlauftemperaturen der Warmwasseraufbereitungen. Die jetzige Verschärfung verpflichtet den Eigentümer zu einer sofortigen Erstellung einer Gefährdungsanalyse inklusive Ortsbegehung. Das Problematische daran sind die hohen Kosten: Uns liegen Preisinformationen vor, die sich zwischen 1.500 und 6.000 Euro bewegen. Und diese Kosten sind im Gegensatz zur regelmäßigen Prüfung nicht auf die Mieter umlegbar. Der Eigentümer trägt die Kosten allein. Dies gilt auch für alle folgenden Maßnahmen. Anschließend muss ein Bericht über die getroffenen Maßnahmen abgegeben und die Ergebnisse weiterführender Untersuchungen müssen mitgeteilt werden. Durch drei Nachuntersuchungen muss man dann belegen, dass man wieder unter dem Grenzwert von 100 KBE/100 ml liegt.

Ein weiteres Problem:
Es gibt viel zu wenige Sachverständige, die eine solche Gefährdungsanalyse zeitnah machen können. Früher gab es nach unseren Erfahrungen eine Vorlaufzeit von vier bis sechs Wochen für die Gefährdungsanalyse, und mit den neuen Vorgaben steigt die Wartezeit gerade enorm.

Wie lautet also Ihr Fazit zur Novelle? 

Meines Erachtens hat der Gesetzgeber nicht verstanden, worum es geht. Sinn und Zweck der allgemeinen Prüfpflicht ist es, einen repräsentativen Einblick von der Qualität des Trinkwassers zu bekommen. Dauerhaft legionellenfreie Wassersysteme existieren nicht. Bei einem Zufallsbefund müsste es die Möglichkeit geben, diesen zu verifizieren oder zu falsifizieren. Dies wird leider nicht mehr zugelassen, sondern gleich die teure Gefährdungsanalyse eingeleitet. Das ergibt weder aus medizinischer noch technischer Sicht Sinn. Kurzum: Wir erleben hier eine überbordende Bürokratie, hilflose Immobilieneigentümer, fehlende Sachverständige und natürlich für die betroffenen Eigentümer steigende Kosten – bei wenig Effekt.

Das Interview führte Anna Katharina Fricke
Referentin Presse und Kommunikation